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ICH UND SCHWEDEN. Teil 1.

ME AND SWEDEN.


Teil 1: Sommer und Winter 2022

Schön, dass du hier gelandet bist, willkommen! Ich bin ein schwedischer Staatsbürger, der seit vielen Jahren in Deutschland ansässig ist, genauer gesagt in Hannover. Ich habe den größten Teil meines Lebens außerhalb Schwedens verbracht, dennoch ist es mir wichtig, meine schwedische Sprachkompetenz zu bewahren. Aus diesem Grund habe ich beschlossen, diese Fähigkeit durch einen Blog zu pflegen und zu verbessern! (Dieser Text ist in drei Sprachen verfügbar: Deutsch, Englisch und Schwedisch. Das Original wurde auf Schwedisch verfasst.)


Sommer. 28.08.2022: Zwei Jahre und acht Monate

Ich bin Schwede. Es ist zwei Jahre und acht Monate her, seit ich das letzte Mal in Schweden war.

Jetzt war ich dort.


Viele Gefühle. Vertrautheit. Ein gemischtes Gefühl des Wiedersehens. Distanz. Melancholie. Das Meer! Wie ich das Meer vermisst habe!

Viele Gedanken.

Gedanken über einen Verlust, der zu Wut wurde.

Eine Ohnmacht, die nie zu enden schien.


Viele Regeln, die wir nicht verstanden haben, aber befolgen mussten. Strenge Regeln mit Bußgeldern in Deutschland. Schweden ohne Regeln. Schweden hatte Empfehlungen. Und ich konnte immer noch nicht hinfahren, oder es ist nicht passiert, oder ….. es gab viele verschiedene Gründe, warum ich lange nicht nach Schweden gefahren bin...


Klar, Corona, Covid-19, ja, aber es gab auch noch viele andere Dinge, die die Reise verhindert haben. Deutsche Bahn z.B. Ich hatte vor, im September 2021 nach Schweden zu gehen, und dann gab es einen Streik, also habe ich es nie geschafft. Ich bin stattdessen während der Pandemie dreimal nach Dänemark gefahren. Zu einer Freundin.


Ich würde gerne alle Gründe aufschreiben, warum ich während der Pandemie nicht nach Schweden gegangen bin, aber ... ich weiß nicht genau wie ...


Folgender Text schreib ich, als ich in Schweden war, auf Englisch:


Something once familiar... (english)

Here I am feeling emotional.

Here I am feeling all those feelings that I have been feeling the past two years, now intensified and expanded. All those feelings that I don't know where to put. Remembering the reasons why I haven't been visiting Sweden for almost three years. It wasn't just because of the pandemic. No, there were other reasons. And I don’t know if I am ready to talk about that in public... Later maybe..


Here I am in Sweden, feeling emotional, thinking about my relationship to my home country, which has of course changed in the last three years.

I always had a kind of ambivalent relationship to my home-country. I never felt like „a true Swede“ (whatever that is…). I never felt that I really belonged there, not in that country, not in my family, not in the language. Well, the language thing came later. And now, after so many years of being away from this country, I feel it even more in terms of the language. It's not really my language anymore, I hardly speak it. And when I do, I keep stumbling around, constantly looking for words that I have forgotten. I often feel like an outsider trying desperately hard, but somehow failing at fitting into something once familiar.


Here I am, feeling a lot of feelings, not knowing how to contextualize them and give them a shape that might mean something to you, dear person who reads this. Are you still with me?


Druckabbau

Es war eine ziemlich emotionale Reise und es gibt noch viele Gedanken, die sortiert und geformt werden müssen. Gedanken, die drängen und hinaus wollen.


Ich möchte einfach den Druck abbauen. Ich weiß aus Erfahrung, dass es hilft "att skriva av sig" (Gedanken aufschreiben/ loslassen durch schreiben) . Aber es ist nicht einfach, Gefühle in Worte zu fassen.


Lass es mich versuchen:


Ich weinte, als ich am Hauptbahnhof Malmö landete, meiner Heimatstadt, in der ich seit 2 Jahren und 8 Monaten nicht gewesen war. Völlig erschöpft stand ich am Bahnhof, in einer Stadt, die ich kaum wiedererkenne, weil sie sich so sehr verändert hat, seit ich dort lebte vor vielen Jahren. Ich habe geweint, als ich zum ersten Mal ins Meer gesprungen bin, ich habe geweint, als ich ins Wasser getaucht bin. Es fühlte sich so heilsam und schön an, im Meer zu sein, dem wunderschönen, klaren Meer, wo kaum Menschen waren. Das Meer, das ich so oft und sehr vermisse, wenn ich in Deutschland bin. Am Meer ist es in Deutschland oft so voll, das ist dann nicht das gleiche Vergnügen. Ich weinte, als ich in einem Café in Helsingborg stand, in dem ich viele Jahre nicht gewesen war. Dort bin ich früher mit eine Freundin gewesen, die nicht mehr bei uns ist. (Yessica, ich vermisse dich sehr…). Ich habe geweint, weil ich gerührt, traurig, glücklich, müde und erschöpft war oder einfach nur weil.....


Es gibt viele Gründe, warum ich ( du, wir alle) weine/n, und ich werde an einem anderen Tag mehr darüber schreiben ...


Natürlich war es sehr schön in Schweden zu sein und natürlich war es auch schön Freunde und Familie zu treffen. Und doch ... schwer. Unter anderem, weil ich dort arbeiten musste. Weil ich seit Beginn der Pandemie die ganze Zeit arbeiten muss. Dreimal mehr als sonst, ja, das stimmt. Immer noch. Ja.


Und weil die ganze Sache mit Schweden und der Pandemie lästig ist, weil ich während dieser ganzen Zeit das Gefühl hatte, dass ich eine Meinung haben muss, wie Schweden mit der Pandemie umgeht. Aber nein, ich kann es nicht ertragen, jetzt darüber zu schreiben.


Hier ist stattdessen ein Bild von meiner Mutter und mir. Wir hatten eine tolle Zeit und konnten uns viel treffen, als ich in Malmö war.

Malmö Ribersborg, Augusti 2022


Winter 5.12. 2022. TIEFPUNKT.

Ist heute der Tag, an dem ich komplett zusammenbreche? Passiert es jetzt? Ich sage alles ab und falle auseinander? Beginnt hier mein Burnout?


Ich sage oft, dass ich nicht mehr kann, dass ich es nicht mehr ertragen kann, und dann mache ich trotzdem weiter, arbeite weiter wie ein Pferd. Arbeite Tag und Nacht, werde krank, arbeite weiter, obwohl ich krank bin. Im Bett sitzen und arbeiten. So wie ich es jetzt tue. Erkältung, Sinusitis oder was auch immer es ist.

Und ich habe so viele Worte und Gedanken und Gefühle in mir, die raus wollen und obwohl ich täglich kreativ bin und mit Theater arbeite und sogar dafür bezahlt werde, ist es, als ob das nicht genug wäre. Der Paradox ist: ich brauche mehr Ventile, andere neue Ventile, oder ich gehe unter. Ich muss Zeit finden, um zu schreiben, zu malen und zu tanzen und auf eine andere, neue Weise kreativ zu sein, die heilt, aufbaut und mich wieder gesund und glücklich macht.


Und gleichzeitig bin ich so sauer auf mich selbst, denn als ich diesen Sommer die Zeit/Möglichkeit/Geld dazu hatte, konnte ich es nicht – ich hatte einfach keine Zeit. Ich habe an 7 Projekten gleichzeitig gearbeitet, es war so verrückt wie es nur geht. Ich glaube, ich platze vor Überlastung. Ich kann nicht mehr. Jetzt sage ich es noch einmal. Ich kann nicht mehr und trotzdem mach ich weiter. Neue Ideen und Projekte, mehr Anträge, die geschrieben werden müssen.


Wo soll ich anfangen? Wie werde ich es schaffen? Und alles ist wichtig und dringend und muss jetzt erledigt werden. Und ich weiß, ich sollte es ruhig angehen lassen und mich entspannen und in den Urlaub fahren und mir frei nehmen und weniger arbeiten und ich weiß, ich weiß, ich weiß. Ich bin mein eigener Chef und es ist nur meine Schuld, wenn ich zu viel arbeite. Aber es geht alles nach hinten los, ich habe Angst, zu wenig Arbeit zu haben und muss deshalb ständig arbeiten. Und dieses Dilemma wurde während der Pandemie noch viel schlimmer. Erst hatte ich 1,5 Jahre fast gar keinen Job und dann kam alles auf einmal, verdreifacht!

Kein Wunder, wenn ich überlastet bin, aber so kann es nicht weitergehen, das geht nicht!

Hannover Maschsee December 2022


Winter 24.12.22. Heute ist Heiligabend

Heute ist Heiligabend und das dritte Jahr in Folge, dass ich selbst Weihnachten feiere. 16 Jahre lang habe ich mit meinem (jetzt Ex-) deutschen Freund gefeiert, entweder mit seiner Familie oder mit meiner Familie, meistens eigentlich mit seiner Familie. So war es am einfachsten.


Ich habe in letzter Zeit so oft gesagt, dass ich Weihnachten dieses Jahr wieder nicht alleine feiern möchte. Und jetzt mache ich es trotzdem... Aber diesmal ist es anders, diesmal ist es freiwillig. Ich habe einfach zu viel Arbeit. Ein Tag hat nur 24 Stunden und ich habe keine Zeit, alles zu tun, was ich tun muss, wenn ich nach Schweden gehe. Oder woanders.

Aber ich will mich nicht beklagen, es ist nur heute, der 24.12. wo ich alleine bin, dann habe ich Einladungen zu den anderen Tagen. Und es wird auch eine Silvesterparty geben.


Alles wird gut...


Die Pandemie hat mich immer noch fest im Griff. Ich habe drei projektbezogene deadlines am 31.12.22. Coronagelder... No, it's not over yet


Vielleicht bin ich ein "arbetsnarkoman" /arbeitswütig/workaholic. Auf Schwedisch klingt es am schlimmsten, als Schwede bin ich drogenabhängig, wenn ich zu viel arbeite, auf Englisch bin ich Alkoholiker und auf Deutsch bin ich wütend. Arbeitswütend. Interessant. Irgendwann schreibe ich darüber. Später. Irgendwann. Ich gewöhne mich gerade daran, es zu sagen: Ich bin ein Workaholic. Oder etwas ähnliches.


Hier hatte ich einen Text über das Weinen geschrieben. Am Heiligabend. Ja, ich habe an Heiligabend geweint. Auch. Ich weine oft und darüber schreibe ich bald mehr. Ich werde immer öfter und auf Schwedisch schreiben. Ja, ich muss das Schreiben auf Schwedisch üben. Ich werde es tun. Ich werde mehr schreiben. Obwohl ich immer noch nicht wirklich weiß, warum ich das mache.


Danke, dass DU bis hierhin gelesen hast!



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